Ökologische Flutung
Mit Technik zurück zur Natur
Nach dem Vorbild der Natur
Die Ökologische Flutung ist eine möglichst häufige, gezielte Durchflutung des am tiefsten gelegenen Teils des Polders, die mit dem natürlichen Überflutungsrhythmus des Rheins und seiner Wasserführung korrespondiert. In Dauer und Intensität sind diese Überschwemmungen vergleichbar mit den natürlichen Ausuferungen des Flusses. Durch die regelmäßigen Ökologischen Flutungen werden die Lebensbedingungen für auentypische Tiere, Pflanzen und Lebensgemeinschaften im Einstaubereich erheblich verbessert. Tiere und Pflanzen können sich an die durch das immer wiederkehrende Wasser wechselnden Lebensbedingungen anpassen.
Ständige Wiederkehr des Wassers
Der tiefstgelegene Bereich des Polders, in dem die Ökologische Flutung erfolgt, wurde mit Hilfe einer Computersimulation modelliert und großflächig ausgehoben. Das abgetragene Material wurde breitflächig auf die umliegenden Flächen verteilt. Die in der Gewanne "Im Mors" geschaffene Mulde wird statistisch jedes Jahr einmal durch ein eigens dafür geschaffenes Durchlassbauwerk im Rheinhauptdamm geflutet. Die maximale Füllung wird alle circa 2-3 Jahre erreicht; hierbei werden dann ca. 30.000 Kubikmeter Wasser aufgestaut. Wenn mit Ende der Ökologischen Flutung der zuführende Graben geschlossen wird, verbleibt das Wasser in der Geländesenke. Hier kann es versickern und verdunsten. Es kann bis zu einem Monat dauern, bis die Fläche wieder trocken gefallen ist.
Geregelter Einlass
Um die Ökologische Flutung zu ermöglichen, wurde eigens ein Durchlassbauwerk im Rheinhauptdeich errichtet. Landseits des Deiches wurde hinter dem Durchlass eine etwa 20 Hektar große Fläche bis zu 60 Zentimeter abgegraben, um hier einen länger andauernden Einstau von Wasser zu ermöglichen. Die Ökologische Flutung erfolgt geregelt über das Durchlassbauwerk und einen neu angelegten Graben.
Prädikat wertvoll
Die EU-Mitgliedstaaten haben sich in mehreren Vereinbarungen verpflichtet, ein zusammenhängendes ("kohärentes") Netz aus Gebieten zum Schutz der wildlebenden Tier- und Pflanzenarten, und insbesondere der Vogelarten, zu schaffen - das Schutzgebietssystem "NATURA 2000". Hierzu werden europaweit für den Arten- und Biotopschutz besonders bedeutsame Gebiete als sogenannte "FFH-Gebiete" (FFH steht für Flora-Fauna-Habitat, dies bedeutet Pflanzenwelt,Tierwelt, Lebensräume) beziehungsweise Europäische Vogelschutzgebiete benannt. Der Polder Ingelheim ist Teil von zwei benachbarten EU-Vogelschutzgebieten, dem "Dünen- und Sandgebiet Mainz-Ingelheim" im Süden sowie der "Rheinaue Bingen-Ingelheim" im Norden. Die "Alte Sandlach" nördlich des Rheinhauptdeiches ist zudem seit 1979 als Naturschutzgebiet "Sandlach" ausgewiesen und Teil des FFH-Gebietes "Rheinniederung Mainz-Bingen". Dies zeigt, wie wichtig dieses Gebiet für die heimische Tier- und Pflanzenwelt ist.
Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens musste daher die Verträglichkeit des Polderbaus mit den Zielen des Naturschutzes nachgewiesen und durch baubegleitende ökologische Fachbetreuung der Maßnahme sicher gestellt werden. Auf Grundlage der umfangreichen Erhebungen des Tier- und Pflanzenbestandes erfolgte dabei eine Bewertung der Auswirkungen des Polder-Vorhabens auf Menschen, Tiere und Pflanzen, auf den Boden- und den Wasserhaushalt, auf das Lokalklima und das Landschaftsbild sowie auf Kultur- und Sachgüter. Zur Minderung negativer Beeinträchtigungen waren bereits im Vorfeld umfangreiche Maßnahmen, beispielsweise zum Schutz wertvoller Einzelbäume und Vegetationsstrukturen, zur Durchführung von Rodungsarbeiten und anderen Eingriffen außerhalb von Brut-Zeiträumen der Vögel und vieles mehr festgelegt und umgesetzt worden.
Somit konnte der Bau des Polders ohne Verschlechterung der Lebensbedingungen für die Tiere und Pflanzen in den schutzwürdigen Lebensräumen ermöglicht werden. In vielen Bereichen kommt es sogar zu Verbesserungen im Naturhaushalt, wenn auf zuvor landwirtschaftlich intensiv genutzten Flächen nun naturnahe Lebensräume für zahlreiche (auch seltene) Tier- und Pflanzenarten entstehen werden.
Maßgebliche Veränderungen
Die Umgestaltung von Bereichen für den Hochwasserrückhalt (Retention) auf Flächen, die seit langer Zeit nicht mehr vom Rhein überflutet wurden, hat erhebliche Auswirkungen auf Natur und Landschaft. Die Maßnahmen des Hochwasserschutzes müssen so geplant und umgesetzt werden, dass negative Folgen für die Natur möglichst vermieden, positive Effekte hingegen gefördert werden. Die Ökologische Flutung von Teilbereichen des Polders weist viele Vorteile für die Natur auf.
Der Landschaft sowie der Tier- und Pflanzenwelt wird zumindest auf der Flutungsfläche das Lebenselement "Wasser" wiedergegeben, das hier bis zur Ausdeichung des Rheins über Jahrhunderte hinweg prägend war. Bedingt durch die regelmäßigen Überflutungen können sich hier wieder wertvolle, auentypische Lebensräume entwickeln. So werden beispielsweise auf circa zwei Hektar Fläche Weichholz-Auenwälder gepflanzt, entlang der Gräben und am Kolksee entstehen Röhrichte und Ufergehölze. Tümpel bieten an Gewässer gebundenen Tierarten wie Amphibien und Libellen, aber auch Wasser- und Sumpfpflanzen einen neuen Lebensraum. Aus ehemaligen Äckern und Obstfeldern können Wiesen entstehen, die gemäß dem Konzept "Pflege durch Nutzung" beispielsweise in Form einer extensiven Ganzjahresbeweidung genutzt werden und zur Heimat einer eigenen Flora und Fauna werden.