Reserveraum für Extremhochwasser Hördter Rheinniederung

Aufgrund des hohen Schadenspotentials am Oberrhein – allein in Rheinland-Pfalz mehr als 11 Mrd. Euro - hat die Enquete-Kommission des Landtags „Verbesserung des Schutzes vor Hochwassergefahren“ im Jahr 1995 empfohlen, alle rheinland-pfälzischen Hochwasserrückhaltungen schnellstmöglich fertig zu stellen und wo immer möglich, zusätzlichen Hochwasserrückhalteraum zu schaffen. In der Beratung der Enquete-Kommission wurde befürwortet, die Hördter Rheinaue in die Betrachtungen über mögliche Retentionsräume einzubeziehen. Unter Berücksichtigung der möglichen Hochwasserverschärfung durch den Klimawandel wurde als Ergebnis der Prüfung vorgeschlagen, in der Hördter Rheinaue einen Reserveraum für Extremhochwasser, d. h. einen Notfall-Flutungsraum zur Abminderung extremer Hochwasser, einzurichten.

Moderationsverfahren 2007, Raumordnungsverfahren 2008

Diesem Vorschlag folgend wurden weitere Planungsschritte in einem einjährigen Moderationsverfahren erarbeitet, das dann Grundlage für ein Raumordnungsverfahren war, welches 2008 mit einem positiven raumordnerischen Entscheid abgeschlossen wurde. Erste Maßgaben dieses Entscheides, wie z. B. die Ertüchtigung der bestehenden Rheinhauptdeichlinie wurden danach umgesetzt bevor 2016 mit der eigentlichen Planung des Vorhabens, begleitet durch einen breit angelegten öffentlichen Beteiligungsprozess, begonnen wurde. Dieser Planungsprozess dauerte bis 2022.

Planfeststellungsverfahren

Die Einleitung des Planfeststellungsverfahrens erfolgte im November 2022. Aufgrund der Komplexität des Vorhabens wird trotz des Beteiligungsprozesses bis zum Vorliegen des Planfeststellungsbeschlusses mit einer Verfahrensdauer von mindestens 18 Monaten gerechnet; vorausgesetzt, dass dieser nicht beklagt wird, könnte aus heutiger Sicht noch 2024 mit dem Bau begonnen werden. Mit einer Fertigstellung wäre frühestens 2034 zu rechnen.

Parallel zu den Bauarbeiten werden Grunderwerb bzw. Bodenordnung erforderlich. Die reine Bauzeit wird mit ca. 8-10 Jahren angenommen.

Daten und Fakten

Durch den Neubau eines rückwärtigen, ca. 9,5 km langen Rheinhauptdeiches wird ein ca. 900 ha großer Raum geschaffen, der bei Überschreiten des Bemessungswasserstandes bis zu ca. 35 Mio. m³ Wasser zurückhalten kann. Der derzeitige Rheinhauptdeich bildet auch langfristig die vordere Hauptdeichlinie, die gemäß den bestehenden vertraglichen Regelungen auf den Bemessungswasserstand zzgl. 0,8 m Freibord ausgebaut wurde. Der Ausbau erfolgte zeitlich vorgezogen (Fertigstellung 2015).

Die Herstellung des Reserveraums umfasst nachfolgende Maßnahmen:

  • Bau einer ca. 9,5 km langen rückwärtigen Deichlinie inkl. neun verschließbarer Durchlassbauwerke sowie zwei in die rückwärtige Deichlinie integrierte Schöpfwerke Klingbach und Brandgraben zur Gewährleistung der Binnenentwässerung, auch bei einem Einstau des Reserveraums,
  • Neubau der Schöpfwerke Sondernheim Nord und Süd sowie des Schöpfwerks Leimersheim,
  • Anpassung des vorderen Rheinhauptdeichs mit drei Überlaufschwellen sowie Vorbereitung einer Bresche zur verbesserten Flutung bei Überschreiten des Bemessungswasserstands,
  • Anpassungen an Gräben und Durchlässen binnenseits,
  • Objektschutzmaßnahmen,
  • Maßnahmen zur Sicherung/Verbesserung der Nutzung der verbleibenden landwirtschaftlichen Flächen durch stellenweise Auffüllungen von Ackersenken, Verfüllung des Stockwiesengrabens mit Drainage und bedarfsweise die Anlage einer Ringdrainage auf dem Schanzenfeld,
  • Ökologische Flutungen zur Anpassung der Waldbestände an wiederkehrende Überflutungen und zur Entwicklung wertvoller Auenlebensräume.

Eine detaillierte Vorhabenserläuterung finden Sie hier.

Kosten

Für die Realisierung des Reserveraumes ergeben sich nach derzeitigem Stand (2022) Gesamtkosten von brutto rd. 225 Mio. Euro.

Wirkung und Synergieeffekte

Der Reserveraum wird Extremhochwasser, das über dem Bemessungshochwasserstand der Deiche liegt (> 200 jährlichen Ereignis), abmindern und so das Risiko eines unkontrollierten Deichversagens reduzieren. Der Einsatz des Reserveraumes kann den Rheinabfluss je nach Hochwasserwelle um ca. 200 bis 300 m³/s reduzieren, was eine Absenkung des Wasserspiegels um bis zu 15 cm bedeutet.

Zur Minimierung von Schäden an Flora und Fauna durch die sehr seltene Retentionsflutung bei Extremereignissen sind Ökologische Flutungen vorgesehen. Diese dienen der Entwicklung natürlicher Auenlandschaft und Anpassung größerer Waldareale des Reserveraumes an Überschwemmungen.

Kartenauszug aus dem Vorhabenplan